Das armenische Alphabet (armenisch: Հայոց գրեր Hajoz grer oder Հայոց այբուբեն Hajoz ajbuben) ist die Schrift, mit der die armenische Sprache geschrieben wird.
Geschichte
Der Überlieferung zufolge wurde das armenische Alphabet vom Heiligen Mesrop Maschtoz etwa zwischen 403 und 406 n. Chr. geschaffen. Es ist unklar, ob die Schrift eine Neuentwicklung war oder ob die Armenier zuvor eine andere eigene Schrift benutzten, von der keine Schriftzeugnisse existieren.
Bis zum 5. Jahrhundert verwendeten die Armenier die griechische, syrische oder aramäische Schrift, um geschäftliche und offizielle Angelegenheiten zu dokumentieren. Es bestehen gewisse Ähnlichkeiten mit deren Schriftzeichen. Die Reihenfolge der Buchstaben lässt griechischen Einfluss vermuten, die Form der Buchstaben lässt aber auf semitische Vorbilder schließen.
Noch größer sind die Gemeinsamkeiten mit der äthiopischen Schrift. Ein kultureller Austausch zwischen Armeniern und Angehörigen des Aksumitischen Reiches am Horn von Afrika im 4. Jahrhundert in Jerusalem gilt als wahrscheinlich. Davon könnte nach einer These die Entwicklung der Schrift profitiert haben.
Die älteste Form des armenischen Alphabets, die bis zum 11. Jahrhundert gebraucht wurde, ist bekannt unter der Bezeichnung ‚Eisenschrift‘ (երկաթագիր jerkatagir, erkat‘agir). Kleinbuchstaben entstanden im 11. Jahrhundert. Die Buchstaben O (օ) und Feh (ֆ) sind erst im 13. Jahrhundert entstanden. Das O entstand wegen einer Lautverschiebung der armenischen Sprache von /av/ zu /o/, das Feh wurde zur Schreibung von Lehnwörtern eingeführt.
1922–1924 wurden in der damaligen Armenischen SSR zwei Rechtschreibreformen durchgeführt, die im heute unabhängigen Armenien nach wie vor gültig sind. Aus dem Alphabet strich man den 34. Buchstaben Wjun (ւ), an dessen Stelle nun das U (ու) als ein Buchstabe rückte. Weil das Wjun nun nicht mehr als selbstständiger Buchstabe existierte, wurde außerdem die sehr gebräuchliche Ligatur Jew (և), bestehend aus kleinem Jetsch (ե) und Wjun (ւ) dem Alphabet als 37., nunmehr eigenständiger Buchstabe hinzugefügt.
Die Westarmenier, insbesondere die armenische Diaspora in Europa und den USA, sowie die Ostarmenier im Iran haben diese Änderungen nicht übernommen.
Armenische Buchstabenkunst
Seit Jahrhunderten werden die armenischen Buchstaben in vielfältiger Weise ornamental und in anderer künstlerischer Weise verwendet. Es existieren viele Zierschriften, die Themen wie Knoten, Tiere und mythische oder imaginäre Kreaturen umsetzen. So werden die Schriftzeichen nicht nur in Schriften verwendet, sondern auch als Zahlen, Kryptographen und im Kunsthandwerk verarbeitet. Es ist Volkskunst, die in ganz Armenien praktiziert wird und so eine wesentliche Ausdrucksform der armenischen kulturellen Identität ist.
In der Jugend- und Erwachsenenbildung wird die Tradition gelehrt, sie wird von vielen künstlerischen und handwerklichen Berufsgruppen angewandt.
2019 wurde Die armenische Schreibkunst und ihre kulturellen Ausdrucksformen von der UNESCO in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Buchstaben
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Westarmenische Digraphen
Neben dem panarmenischen ու gibt es zwei typisch westarmenische Digraphen.
- Zur Zeit der Kreuzzüge waren die kilikischen Westarmenier Verbündete der Kreuzfahrer und kamen insbesondere mit französischen Rittern in Kontakt. Die Westarmenier übernahmen dabei einige französische Wörter und um die „ö-Laute“ [ø], [œ] und [œ̃] wiederzugeben, wurde der Digraph օէ ōē eingeführt. Dieser Digraph ist das einzige rein orthographische Merkmal, an dem man westarmenische von klassisch geschriebenen ostarmenischen Texten unterscheiden kann.
- իւ iw wird in geschlossenen Silben [y] ausgesprochen (lies wie ein deutsches „ü“), während es im Altarmenischen vermutlich [iw] ausgesprochen wurde. Im Ostarmenischen wird իւ iw dagegen [jɯ] ausgesprochen, nur als Transkription von Fremdwörtern im Rahmen der klassischen Rechtschreibung kann es – sofern der Sprecher dies so aussprechen kann und möchte – als [y] ausgesprochen werden. Beispiel: Բիւզանդ ‚Byzanz‘ kann sowohl [bjɯ'zand] als auch [by'zand] ausgesprochen werden.
- Ausnahmen: Wenn die Schließung der Silbe durch Zusammensetzungen entstehen, bleibt die ursprüngliche Aussprache erhalten, z. B. պատիւ patiw, deutsch ‚Ehre‘, [ba'div] (westarm.), [pa'tiv] (ostarm.); պատիւս patiws, deutsch ‚meine Ehre‘, [ba'divǝs] (westarm.), [pa'tivǝs] (ostarm.).
Ligaturen
Namen der Buchstaben
Es gibt traditionelle Namen der Buchstaben. Sie wurden jedoch in den Schulen der Armenischen SSR nicht vermittelt und sind deshalb vielen Armeniern unbekannt. Angegeben ist zuerst die traditionelle Schreibweise und dann die reformierte, die allerdings aus dem oben genannten Grund eher theoretischer Natur ist.
- այբ, բէն, գիմ, դա, եչ, զա, է, ըթ, թո, ժէ, ինի, լիւն, խէ, ծա, կէն, հո, ձա, ղատ, ճէ, մէն, յի 1, նու, շա, ո, չա, պէ, ջէ, ռա, սէ, վէվ, տիւն, րէ, ցո, վիւն 2, փիւր, քէ; օ, ֆէ
- այբ, բեն, գիմ, դա, եչ, զա, է, ըթ, թո, ժե, ինի, լյուն, խե, ծա, կեն, հո, ձա, ղատ, ճե, մեն, հի, նու, շա, ո, չա, պե, ջե, ռա, սե, վեվ, տյուն, րե, ցո, ու (sic!), փյուր, քե; օ, ֆե; և
Zahlzeichen
Wie im lateinischen und griechischen Alphabet existiert ein armenisches Zahlensystem, in dem die Buchstaben als Zahlzeichen verwendet werden. In beiden Fällen gab es kein Zeichen für die Null. Gelegentlich werden sie noch benutzt, um Jahreszahlen oder Kapitelnummern anzugeben.
Interpunktion
Siehe dazu auch:
Armenisches Alphabet in Unicode
Das armenische Alphabet belegt im Unicodeblock Armenisch die Positionen von U 0531 bis U 058A. Einige Ligaturen liegen im Unicodeblock Alphabetische Präsentationsformen bei U FB13 bis U FB17.
Literatur
- Margret Eggenstein-Harutunian: Einführung in die armenische Schrift. Buske, Hamburg 2012, ISBN 978-3-87548-639-1.
- Andreas G. Buda: Aufbauender Lehrgang zum armenischen Alphabet. Armenischer Verein, Zürich 2009, ISBN 978-3-033-00962-2.
Weblinks
- Armenische Transliteration Unterstützt Ostarmenische und Westarmenische Sprachformen.
- Armenisches, georgisches, griechisches und hebräisches Alphabet im Vergleich
- Evolution of the Armenian Alphabet Tafel, die das armenische Alphabet zu vor- und frühgeschichtlichen Schriften in Beziehung setzt
- Armenotype.com Seite zur armenischen Typografie und Schriftgestaltung.
- aybuben.com – animierte Darstellung von Schreibweise und Aussprache der Buchstaben.